Kirche kritisiert Flüchtlingspolitik der Regierung
Veröffentlicht am 12.11.2015
Die katholische Kirche übt deutliche Kritik an der Flüchtlingspolitik der Bundesregierung. Der neue Sonderbeauftragte für Flüchtlingsfragen der Deutschen Bischofskonferenz, der Hamburger Erzbischof Stefan Heße, kritisierte Überlegungen der Bundesregierung, den Familiennachzug für bestimmte Flüchtlinge einzuschränken (Berichte bei katholisch.de oder bei SPIEGEL ONLINE).
Zuvor hatte sich Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck, der in der Bischofskonferenz für soziale Fragen zuständig ist, zur Aufnahme von Flüchtlingen geäußert:
Der Sozialbischof der Deutschen Bischofskonferenz, Franz-Josef Overbeck, sieht eine Pflicht zur Aufnahme syrischer oder irakischer Flüchtlinge. Für die an Leib und Leben bedrohten Menschen aus diesen Ländern dürfe es weder Quoten oder Kontingente noch Grenzen und Mauern geben, sagte er am Montagabend in Mülheim an der Ruhr.
Auch der Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) äußerte sich in einer Stellungnahme „Eine restriktivere Flüchtlingspolitik ist nicht christlich“:
Im Namen christlicher Werte eine restriktivere Flüchtlingspolitik zu fordern, schüre Ängste in der Bevölkerung und unterstütze den derzeitigen Rechtsruck in Deutschland. „Dem stellen wir uns als BDKJ entschieden entgegen. Viele jungen Menschen nehmen sich der gesellschaftlichen Herausforderung an und engagieren sich in unseren Verbänden im ganzen Land für Geflüchtete und treten so aus ihrem christlichen Verständnis heraus für eine gelingende Willkommenskultur ein“, so die Bundesvorsitzende.
Diözesankomitee: Heiliger Martin als Vorbild
Das Diözesankomitee im Erzbistum Paderborn, die Vertretung der Laien auf Bistums-Ebene, ermutigte anlässlich des gestrigen Martinsfestes zu einer Kultur der Gastfreundschaft:
Zum Fest des Heiligen Martins und angesichts der vielen Menschen, die bei uns Zuflucht suchen, rufen wir als Diözesankomitee im Erzbistum Paderborn dazu auf, dem Beispiel des großen Heiligen zu folgen und „den Mantel zu teilen“.
Der Heilige Martin hat sich dem fremden Menschen, der nicht zu seiner Nationalität gehörte, zugewandt – ungeachtet seiner Religion und Person. Er hat seinen Mantel geteilt und damit auf etwas verzichtet, was ihm selbst wertvoll war. Wir erinnern in den Kirchengemeinden alljährlich mit Martinsspielen und Martinsumzügen an diese barmherzige Tat.
In diesem Jahr sind wir in besonderer Weise zum Teilen aufgefordert. Wir bitten unsere Kirchengemeinden und alle, die zu uns gehören, das ihnen Mögliche zu tun, um Flüchtlingen zu helfen. Teilen wir unseren Reichtum, unseren Wohnraum, unsere Zeit und unsere Kultur mit den Menschen, die aus Krieg, Verfolgung und Armut zu uns kommen.
Vielerorts geschieht dies bereits unter großem Einsatz von Kirchengemeinden, Verbänden, kirchlichen Einrichtungen und vieler Einzelpersonen. Dafür sind wir sehr dankbar und sehen dies als eindrucksvolles Zeichen des christlichen Glaubens und der Nächstenliebe.
Wir ermutigen Staat und Gesellschaft und somit auch die vielen, die in den Kirchen aktiv sind, zu einer auf lange Frist ausgerichteten Kultur der Gastfreundschaft und der Integration.
Allen, die angesichts der großen Zahl von Flüchtlingen Sorgen und Ängste haben, rufen wir zu: „Fürchtet euch nicht!“ Wir haben als Land in den letzten Jahren viele Herausforderungen bestanden, wir werden gemeinsam auch diese Aufgabe bewältigen.
Hass und Gewalt gegen Flüchtlinge treten wir entschieden entgegen. Dies ist eine gemeinsame Aufgabe der gesamten Gesellschaft. Gerade Politikerinnen und Politiker müssen in ihren Reden umsichtig und verantwortungsbewusst sein. um nicht Vorbehalte und Ressentiments in Teilen der Gesellschaft Vorschub zu leisten.
Folgen wir dem Beispiel des Heiligen Martin und teilen wir unseren Mantel mit den Menschen, die Zuflucht bei uns suchen. Dann werden wir auch die Erfahrung machen, dass dieses Teilen auch uns selbst bereichert und froh macht.
Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Alois Glück, meldete sich in einem zu Wort.
Bayern: Kritik auch von Ordensleuten
Bereits gestern wendeten sich 45 Ordensleute aus Bayern in einem offenen Brief mit heftiger Kritik gegen die Flüchtlingpolitik der CSU:
“Wir fühlen uns vom dem, was die CSU in der Flüchtlingskrise tut und sagt, nicht mehr repräsentiert”, sagt Franziskaner-Schwester Mirjam Schambeck aus Würzburg, die den Brief mitinitiiert hat.
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Vor allem die Sprache der Politiker ist einer der Kernpunkte des Textes: “Wir appellieren an Sie, dringend von einer Rhetorik Abstand zu nehmen, die Geflüchtete in ein zwielichtiges Licht stellt”, heißt es darin.