Kirchen und Politik diskutierten über Flüchtlingspolitik

Veröffentlicht am 07.07.2017

Schutz der Menschen in den Mittelpunkt stellen

Besucher im Lukaszentrum: Sie beteiligten sich rege an der Diskussion zu Fragen der Asylpolitik.

Paderborn (dph). Wenige Wochen vor der Bundestagswahl haben Evangelische und Katholische Kirche und deren Wohlfahrtsverbände Diakonie und Caritas Fragen und Forderungen zur Asylpolitik an Paderborner Bundestagskandidatinnen und -kandidaten bzw. deren Vertreter gestellt. Zu der Podiumsdiskussion „Frauen und Kinder zuerst??! – Prioritäten in der Flüchtlingspolitik“ kamen rund 100 Besucher in das Lukas-Zentrum. Moderiert wurde die Veranstaltung von der Journalistin Sylvia Homann.

Es sei kein Zufall, dass die Diskussion in einem christlichen Gemeindezentrum stattfinde, betonte Christoph Keienburg, Pfarrer des Lukasbezirks und Synodalbeauftragter des Evangelischen Kirchenkreises Paderborn für Flucht und Asyl in seiner Begrüßung: „Flüchtlinge, Witwen und Waisen, die Verletzlichsten, stehen im Christentum an erster Stelle.“

Fünf Forderungen stellten Pfarrer Helge Hohmann, Beauftragter für Zuwanderungsarbeit der Evangelischen Kirche von Westfalen, und Domkapitular Dr. Thomas Witt, Vorsitzender des Caritasverbandes für das Erzbistum Paderborn und Sonderbeauftragter für Flüchtlingsfragen im Erzbistum, an die Politik: 1. Abschiebestopp nach Afghanistan, 2. zügiger Familiennachzug, 3. Teilhabe der Flüchtlinge am gesellschaftlichen Leben, 4. die Würde des Menschen in den Mittelpunkt stellen und 5. eine gemeinsame Flüchtlingspolitik in der Europäischen Union.

Die Behauptung, Afghanistan sei ein sicheres Herkunftsland, werde jeden Tag widerlegt, erklärte Domkapitular Dr. Witt. „Wie soll Integration gelingen, wenn es keinen Familiennachzug gibt?“, fragte Pfarrer Hohmann. Zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben gehört es für Dr. Witt, dass das Asylbewerberleistungsgesetz abgeschafft wird und Betroffene stattdessen Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB II) erhalten. Pfarrer Hohmann forderte, den Begriff „schlechte Bleibeperspektive“ abzuschaffen. „Das Asylrecht ist ein individuelles Recht, das einzelne Schicksal muss geprüft werden.“ Auf die Notwendigkeit einer gemeinsamen europäischen Flüchtlingspolitik verwies Dr. Witt: „So wie es jetzt ist, kann es nicht funktionieren.“

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Burkhard Blienert betonte, die Situation in Afghanistan könne nicht pauschal betrachtet werden, insgesamt sei die Lage aber unsicher. Deshalb habe die Bundesregierung Abschiebungen ausgesetzt. Laut Bernd Schulze-Waltrup (CDU), Vertreter für den Bundestagsabgeordneten Dr. Carsten Linnemann, sollte die Frage im Zentrum stehen, wie man den Menschen in ihrer Heimat wieder eine lebenswerte Perspektive bieten könne. Dass Afghanistan nicht sicher sei und nicht dorthin abgeschoben werden dürfe, darin waren sich Hartmut Oster, Bundestagskandidat der Grünen, und Siegfried Nowak in Vertretung für Kathrin Vogler, Bundestagskandidatin der Linken, einig. Nicola Hagemeister, Bundestagskandidatin der FDP, plädierte dafür, dass Afghanen Asyl bekommen sollten, bis die Lage in ihrem Land geklärt sei.

Das Aussetzen des Familiennachzugs bis März 2018 kritisierten Hartmut Oster (Grüne) und Siegfried Nowak (Linke). Burkhard Blienert (SPD) hält eine Neubewertung für notwendig, da sehr viele Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien betroffen seien. Für ein Einwanderungsgesetz sprachen sich sowohl Blienert als Bernd Schulze-Waltrup (CDU) und Nicola Hagemeister (FDP) aus.

Für die weitere Flüchtlingsarbeit betonte Bernd Schulze-Waltrup (CDU) die große Bedeutung ehrenamtlichen und gesellschaftlichen Engagements, Hartmut Oster (Grüne) wies darauf hin, dass mit weiteren Flüchtlingsbewegungen, auch durch Klimaflüchtlinge, zu rechnen sei. Siegfried Nowak (Linke) hält eine offensive Integrationsarbeit für erforderlich, Nicola Hagemeister (FDP) setzt auf Bildung von Anfang an, unabhängig vom asylrechtlichen Status, und auch für Burkhard Blienert (SPD) sind Bildung, Wohnung und Arbeit sowie interreligiöser Dialog zentrale Aufgaben.

Aus dem Publikum wurden unter anderem die Themen moralische Verantwortung und deutsche Waffenlieferungen angesprochen und die Frage nach dem besonderen Schutz für Frauen und Kinder gestellt. Nicola Hagemeister (FDP) sprach sich für eine geschützte Unterbringung von Frauen und Kindern aus, und Burkhard Blienert (SPD) setzt beim Thema Schutzbedürftigkeit auf mehr Sensibilisierung der Mitarbeitenden von Behörden. Bernd Schulze-Waltrup (CDU) sieht eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung, Fluchtursachen abzubauen, zum Beispiel auch durch das eigene Konsumverhalten. Hartmut Oster (Grüne) und Siegfried Nowak (Linke) forderten „fairen Handel“ und ein Verbot von Waffenexporten. Offen gebliebene Fragen des Publikums werden von den Veranstaltern an die Politikerinnen und Politiker weitergeleitet.

Veranstalter der Podiumsdiskussion waren der Caritasverband Paderborn, das Dekanat Paderborn, der Evangelische Kirchenkreis Paderborn, die Diakonie Paderborn-Höxter e.V. und die Regionalstelle der Evangelischen Erwachsenenbildung Westfalen und Lippe e.V.

Text: Diakonie Paderborn-Höxter e.V., Öffentlichkeitsreferat, Dr. Claes

Alle Fotos: DPH/Oliver Claes